„Sportlerin des Jahres“: Ramona Hofmeister rockte den Snowboard-Winter – „Eine große Ehre“

Das Kleid wäre in diesem Jahr Silber gewesen – nach Blau 2018 und Rot im Mai 2019: Snowboarderin Ramona Hofmeister wurde von der Sport-Gala-Jury zum dritten Mal in Folge zur „Sportlerin des Jahres“ gewählt – erneut gemeinsam mit Skeleton-Weltmeisterin Tina Hermann (deren Portrait erscheint in einer Woche). „Immer wieder eine große Ehre“, sagt die 23-Jährige. „Wir haben hier in Berchtesgaden so viele herausragende Sportlerinnen und Sportler, daher sehe ich es ganz und gar nicht als selbstverständlich an, immer wieder da oben auf der Bühne stehen zu dürfen.“ Jury-Präsident Wasti Rasp & Co. kamen einmal mehr nicht an der schnellen Dame vom WSV Bischofswiesen vorbei. Schließlich holte sie in der abgelaufenen und Corona-bedingt vorzeitig abgebrochenen Saison den großen Parallel-Weltcup-Gesamt- und dazu den Riesenslalom-Disziplinen-Sieg – beide mit riesigen Vorsprüngen. Und somit stehen nun zwei der prächtigen Kristallglas-Preise auf ihrem Fensterbrett im Wohnzimmer. Davor liegen drei Medaillen: Zwei in Gold, eine in Silber – denn im Slalom-Weltcup wurde Ramona Hofmeister hinter Julie Zogg (Schweiz) zudem noch Zweite.

Zwei Sport-Bilder hängen an der Wand: Vom WM-Juniorentitel 2016, errungen in Rogla, Slowenen. Also an jenem Ort, an dem sie sich drei Jahre später bei einem Trainingssturz eine schwere Schulterverletzung zuziehen sollte. Einen Tag nach ihrem 23. Geburtstag operierte Dr. med. Frank Martetschläger (Deutsches Schulterzentrum der ATOS-Klinik München) 2019 das lädierte Gelenk und brachte es perfekt wieder hin. „Ich bin Beschwerde-frei“, freut sich die Sportlerin. Ist doch gerade die Schulter eine komplexe Angelegenheit, die – wenn erstmal gestört – ein ganzes Leben lang Probleme bereiten kann. Das zweite Foto zeigt Ramona, zweiter Vorname Theresia, mit ihren beiden Schwestern Sandra und Melanie, die sie auf den Schultern tragen. Im Hintergrund der Olympiahang von Pyeongchang 2018. Die Sportlerin hatte soeben einen großen Traum wahr gemacht und Bronze gewonnen, ihr größer Erfolg bislang.

Verhinderte Emotionen

In den ersten Wochen nach dem Saison-Abbruch war Ramona Hofmeister „richtig traurig“, wie sie erzählt, dass „der große Lohn“ durch die Virus-Krise verhindert wurde: „Die Siegerehrungen, die Feiern, die ganzen Emotionen blieben mir verwehrt. Das schmerzt sehr, weil das alles nicht nachzuholen ist. Diese Erlebnisse würden ein Leben lang in Erinnerung bleiben, fehlen jetzt aber.“ Mittlerweile hat sie sich auch damit abgefunden, dass sogar vier Weltcup-Kugeln in ihrer Wohnung stehen könnten. Denn im Snowboard-Mixed führte sie zusammen mit dem Bad Aiblinger Stefan Baumeister (SC Aising Pang) nach zwei Siegen aus zwei Bewerben ebenfalls die Gesamt-Reihung an. Für eine letztliche Wertung hätten jedoch alle drei ursprünglich geplanten Rennen stattfinden müssen. Der finale Heimweltcup in Winterberg fiel aber aus, und somit auch der zur Vergabe der rund sechs Kilo schweren Weltcup-Kugel nötige dritte Bewerb. Wegen Schneemangels war als Ersatz der Götschen als Ersatz im Gespräch – dann kam Corona. „Das wär natürlich was gewesen, wenn ich daheim meinen Gesamtsieg hätte feiern können, vor der Familie, den Freunden und Fans“, denkt Ramona Hofmeister wehmütig an die „gezwungenermaßen“ verpassten Chancen.

In der Slalom-Einzel-Wertung lag sie bis zum Abbruch auf Rang 2 und hätte sogar in dieser Kategorie noch Platz 1 von der letztlichen Siegerin Julie Zogg (Schweiz) übernehmen können. „Das ist aber Jammern auf hohem Niveau, ich bin über die beiden Kugeln sehr glücklich“, strahlt die stets optimistische junge Dame, die mit erst 23 den Großteil ihrer Karriere noch vor sich hat. Von den acht 2019/20 stattgefundenen Riesenslalom-Rennen – in Carezza (Italien) musste einer kurz vor Weihnachten wegen zu weicher Piste abgebrochen werden – gewann sie fünf. Dazu einen Slalom in Bad Gastein, dem Ort ihres ersten Weltcupsieges im Jahr 2018. Lediglich zwei andere Snowboard-Damen konnten im abgelaufenen Winter überhaut einmal den obersten Podestplatz erringen: Julie Zogg und Hofmeisters große Konkurrentin Ester Ledecká, die Ausnahme-Athletin aus Tschechien. Neben den Feierlichkeiten, die Ramona als Lohn ihrer harten Arbeit gerne mitgenommen hätte, verhinderte Corona obendrein den wohlverdienten Familien-Urlaub in Kenia. „Strand und Sonne hätten mir gut getan, nach einem intensiven Winter.“ 

Mit „Buschi“ am Götschen

Während der erfolgreichen Saison wurden die großen TV-Sender auf sie aufmerksam, in einer kleinen Wettkampfpause Ende Januar war Ramona Hofmeister zusammen mit Team- und Zimmerkollegin Selina Jörg bei „Blickpunkt Sport“ im Bayerischen Fernsehen und allein im ZDF-Morgenmagazin zu Gast. „Sowas lässt man nicht aus, auch wenn ich den ZDF-Termin zuerst absagen musste, weil ich mit Moderator Frank Buschmann schon lange einen Videodreh am Götschen vereinbart hatte. Das ZDF lud mich aber tatsächlich ein zweites Mal ein, das klappte glücklicherweise.“ 

Ramona Hofmeisters große Stärke ist „mein Kopf“, lacht sie. Mental sei sie enorm stark: „Gesunde Anspannung ist immer gut, um die Konzentration hochzuhalten. Im Grunde stehe ich aber immer sehr locker am Start und freue mich riesig auf das Rennen. Und dabei gehe ich immer volles Risiko, ich bin eine richtige Kamikaze-Fahrerin. Nur so erreiche ich das, was ich will – einen Podestplatz.“ Das alles seien am Ende möglicherweise exakt jene Punkte, die ihr den entscheidenden Vorteil gegenüber einer zweifelsfrei extrem starken Konkurrenz. „Nicht zu viele Gedanken machen, alles aufnehmen und versuchen, zu genießen – und erst am Ende der Saison mit der Verarbeitung des Erlebten beginnen“, lautet das Rezept von Ramona Hofmeister, deren Drei-Wörter-Motto „Es geht weiter“ sich immer mit im Gepäck befindet.

Mit viereinhalb Jahren stand sie das erste Mal auf einem Snowboard. Ihre Schwestern Sandra und Melanie, die im Freestyle-Weltcup unterwegs war, weckten das Interesse der jüngsten der drei Hofmeister-Dirndln. „Zuerst war‘s wirklich nur reiner Spaß“. Mit 14 Jahren und nach den ersten FIS- und Europacuprennen wurde daraus schließlich weitaus mehr Ernsthaftigkeit. Dass der Knoten nach bereits sehr guten Weltcup-Jahren ausgerechnet in der letzten Saison – in der die Vorbereitung aufgrund der Schulter-Operation im März 2019 nicht planmäßig ablaufen konnte – so richtig platzte, kann sie sich selbst gar nicht richtig erklären. Doch Physiotherapeut Marcus Hirschbiel brachte sie mit einem völlig veränderten, auf sie abgestimmten und optimierten Sommertraining wieder perfekt hin. Punktegenau in den Wettkampfmodus: Platz 7 im ersten Saison-Parallelslalom in Bannoye (Russland) vor ungewohnt großer Zuschauerkulisse. „Da dachte ich o.k., ein guter Einstieg“. Doch schon den Riesenslalom tagsdrauf gewann Ramona Hofmeister als Startschuss einer starken Serie von vier Siegen in Folge, der Grundstein für den Gesamterfolg am Ende. „Im Rückblick war die Vorbereitung perfekt, ich war noch nie so auftrainiert wie vor diesem Winter“, lacht sie. 

China ist das nächste große Ziel

 Mittlerweile arbeitet Ramona Hofmeister im Schichtdienst der Bayerischen Polizei in Traunstein, ihre dritte Hospitation nach Berchtesgaden in den Vorjahren. Sie ist „fertige“ Polizistin und froh über diesen Ausgleich, auch als Absicherung für die Zeit nach der sportlichen Karriere. Für diese kann sie sich viel vorstellen – „aber keinen Job als Trainerin“. Das würde ihr vermutlich keinen Spaß machen, sagt sie. Die Sommerarbeit lässt ihr aktuell die nötigen Freiräume, um mit Laufen und Radfahren die Fitness-Grundlagen zu erhalten. Wenn Zeit ist, wird Klavier am Flügel im Elternhaus gespielt und natürlich weiter fleißig gebacken – am liebsten Obstkuchen nach Rezept, verfeinert mit eigenen kreativen Ideen.

 In diesem Jahr hätte Ramona Hofmeisters Sport-Gala-„Glücksmomente“-Kleid in Silber gestrahlt. Wer weiß, möglicherweise dürfen sie die Festabend-Besucher irgendwann – wenn sie vielleicht mit einem Olympiasieg heimkehrt – in einer Gold-Robe erleben. In der Saison 2020/21 steht jedoch erst einmal die WM in China als nächstes großes Ziel auf dem abzuarbeitenden Karriereplan der erfolgreichen Bischofswieserin. Markanter Wiedererkennungswert mittlerweile: Der Leopardenschal, der jetzt – ganz neu – in zwei Ausführungen sogar in ihrem Online-Fanshop mit Unterschrift angeboten wird. Der Erlös daraus geht an HAD sowie die Nachwuchsförderung der Deutschen Sporthilfe.

Text: Hans-Joachim Bittner

Sport-Gala - Ramona Hofmeister Action

Snowboard-Gesamt-Weltcupsiegerin (Parallel-Riesenslalom und -Slalom) Ramona Hofmeister in Action – seit dem WM-Sieg von Kathi Hölzl im alpinen Riesenslalom 2009 und dem Gesamt-Weltcup-Sieg 2009/10 der größte Erfolg auch für den WSV Bischofswiesen.

Sport-Gala - Ramona Hofmeister Pokale - bit

Ramona Hofmeister – hier mit ihren beiden Weltcupkugeln – durfte ihre großen Erfolge des vergangenen Winters nicht so feiern, wie es normalerweise üblich ist. Der deutsche Snowboardverband organisierte aber gerade noch rechtzeitig vor den Corona-Ausgangsbeschränkungen zumindest eine schöne Feier auf dem Münchner Olympiaturm. © Hans Bittner